aids/hiv: prävention vs. information

[23.11.2005]


Außerhalb von Fachkreisen existiert nur beschränktes Wissen über die im Rahmen der Aids-Medizin verwendeten diagnostischen Tests und Verfahren. Umfassende Information aber könnte Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit aufkommen lassen – und damit die Effektivität aktueller Aids-Präventionskampagnen beeinträchtigen.

Wichtiger Hinweis

Bei den vorliegenden Ausführungen handelt es sich nicht um eine wissenschaftliche Analyse der Zuverlässigkeit der im Rahmen der Aidsmedizin verwendeten Testverfahren, sondern um die persönlichen Schlussfolgerungen des Autors auf Basis der im Text erwähnten bzw. zitierten Quellen.

Analog zur Prävention anderer Infektionskrankheiten spielt auch bei der Aids-Prävention die möglichst frühe Erkennung einer HIV-Infektion eine wichtige Rolle: Es geht darum, unwissentliche Übertragungen des Virus auf andere Personen möglichst zu vermeiden. Zudem ist die Wirksamkeit der bisher entwickelten Behandlungsmethoden auf Basis anti-retroviraler Medikamente nach herkömmlicher Ansicht umso geringer, je weiter das Immunsystem bereits geschwächt ist, d.h. insbesondere etwa dann, wenn sich Infektionen mit anderen Krankheitserregern nur mehr schwer bekämpfen lassen.

Die Bereitschaft der Menschen, sich auf eine HIV-Infektion testen zu lassen – ob sie nun “Risikofaktoren” aufweisen oder nicht – ist daher ein zentraler Faktor, solange nicht eine allgemeine Pflicht zu solchen Tests eingeführt wird. Diese Bereitschaft wiederum beruht – abgesehen von der Anonymität – in wesentlichem Ausmaß auf dem Vertrauen der Öffentlichkeit in die Zuverlässigkeit der angewendeten diagnostischen Tests und Verfahren.

Antworten auf die Frage “Wie zuverlässig ist der Test” sind daher unabdingbare Bestandteile öffentlicher Informationen von Institutionen und Organisationen im Bereich der Aids-Prävention. Die Aidshilfe Wien etwa beantwortet die Frage auf ihren “FAQ”-Seiten (Stand vom 23.11.2005) so:

“Wenn man nach dem Risiko eine Frist von 12 Wochen bis zum HIV-Antikörper-Test einhält, ist er eine äußerst zuverlässige (nahezu 100%ige) Methode, um eine Infektion auszuschließen. Nachweisbar ist sie manchmal auch schon nach 5 – 6 Wochen.”

In weiterer Folge wird der Antikörpertest dann – ohne auf medizinische Details einzugehen – als ebenso sicher wie andere medizinische Tests, “d.h. annähernd 100%” beschrieben.

Genau genommen wird hier die Zuverlässigkeit eines HIV-Antikörpertests – gemeint ist ein ELISA (Wikipedia: Enzyme-linked Immunosorbent Assay) – nur zum Teil reklamiert, nämlich für seine Fähigkeit, eine HIV-Infektion auszuschließen. Der Test, so die Versicherung, liefert praktisch keine “falsch-negativen” Ergebnisse. Diese Einschränkung mag zwar ein Zufall sein oder auf schlampiger Formulierung beruhen. Interessant ist aber, dass auf die Möglichkeit “falsch-positiver” Tests gar nicht eingegangen wird.

Aus Sicht von Betroffenen ist ja nicht nur die Möglichkeit von Bedeutung, dass ein Test “falsch negativ” ausfällt, also keine Infektion festgestellt wird, obwohl eine vorliegt, sondern auch die andere – inwieweit der Test positiv ausfallen kann, obwohl KEINE Infektion vorliegt. Genau das kann leider sehr wohl der Fall sein. Diese Tatsache ist praktisch seit den Anfängen der HIV-Diagnostik in den 1980er Jahren durchaus bekannt und im Prinzip unumstritten, weshalb ich hier auf diesbezügliche Quellenangaben verzichte.

Eine der Ursachen, warum gängige HIV-Antikörpertests auch ohne HIV-Infektion zu einem positiven Ergebnis führen können, sind so genannte “Kreuzreaktionen” von Antikörpern, die gegen andere Erreger bzw. deren Proteine (ein Beispiel sind Grippeviren) gebildet wurden, mit den Antigenen im HIV-Test. Bekannt ist, dass auch Schwangerschaft ein positives Ergebnis zur Folge haben kann.

Wie häufig es etwa in Österreich dazu kommt, ist mir unbekannt; aufgrund meiner Kenntnisse der Fachliteratur scheinen derartige Kreuzreaktionen aber zumindest in Afrika südlich der Sahara oder anderen tropischen Ländern weit häufiger zu sein als in Zentraleuropa (etwa bei einer gleichzeitigen Malaria-Infektion).

Welche quantitative Bedeutung Kreuzreaktionen auch immer haben: Es ist jedenfalls anerkannt, dass ein ELISA (oder auch mehrere hintereinander) keine zuverlässige HIV-Diagnose ermöglicht (nicht einmal eine negative). Zur Überprüfung der Ergebnisse von ELISAs wird daher in der Regel ein weiteres Testverfahren herangezogen, ein so genannter Western Blot (Link zu Wikipedia).

Zwar ist auch der “Western Blot” ein Antikörpertest, doch wird ihm höhere “Spezifität” zugeschrieben, da er ermöglicht, festzustellen, mit welchen der Antigene im Test (den Virusproteinen) die in der Blutprobe enthaltenen Antikörper tatsächlich reagieren. Anhand des Ergebnisses dieses Western Blot wird dann das positive ELISA-Testergebnis entweder bestätigt oder verworfen, m.a.W., diese ELISAs werden im Nachhinein zu “wirklich positiven” oder “falsch positiven” Tests erklärt.

Nun liegt es in der Natur eines Western Blot, dass er im Unterschied zu einem ELISA kein einfaches JA-NEIN-Ergebnis liefert: Er beinhaltet beispielsweise neun oder zehn Bänder (Streifen) mit jeweils unterschiedlichen Proteinen, und jedes dieser Bänder kann jeweils keine, eine schwache oder eine starke Reaktion anzeigen. Daraus folgt, dass das Ergebnis eines Western Blot nicht einfach “abgelesen” werden kann, sondern interpretiert werden muss.

Fatalerweise existiert aber für die Interpretation von Western Blots zur HIV-Diagnose weltweit kein einheitlicher Standard – d.h., wieviele bzw. welche “Bänder” müssen eine Antikörper-Antigen-Reaktion anzeigen, damit der Test insgesamt “positiv” ist, und wann ist das Ergebnis als negativ und wann als “unbestimmt” zu bezeichnen – es gibt natürlich auch unbestimmte Ergebnisse. Die von der WHO bereits 1990 vorgeschlagenen Interpretationsregeln (siehe weiter unten) haben sich nicht durchgesetzt.

Statt eines einheitlichen Interpretationsstandards gibt es mehrere, die sich zum Teil beträchtlich voneinander unterscheiden. Um den aktuellen Stand in Sachen Interpretation von Western Blot Tests zu veranschaulichen, zwei – zufällig ausgewählte – Zitate aus dem Web (aus den USA bzw. Großbritannien). Im ersten wird sogar ganz offen von einer “Daumenregel” gesprochen:

“Interpretation of the Western Blot can be complicated, but a good rule of thumb is the ‚3 band rule’: If three or more bands appear, there is solid evidence that antibodies to HIV have been detected. If one or two bands appear, the test is considered indeterminate.”
(Quelle: www.medicow.com/topics/Western-blot).

“There are different standards for interpreting the Western blot. The US Multicenter AIDS Cohort Study 1983-1992 suggests that three weak bands or any strong band indicates a positive result. Other standards require that there must be at least one band representing antibodies to envelope protein before a positive result can be reported.”
(Quelle: www.mcld.co.uk/hiv/?q=Western%20blot)

Den Zitaten lässt sich entnehmen, dass etwa auch in den USA “laxere” Kriterien für die Interpretation von Western Blots vorgeschlagen wurden als von der WHO, die zumindest positive Reaktionen bei zwei von drei Bändern mit Hüllproteinen fordert.

Das betreffende WHO-Dokument – “Proposed WHO criteria for the interpretation of Western Blot for HIV-1, HIV-2, and HTLV-1/HTLV-II. Weekly epidemiological record, 1990, 65 (37): 281-283” – konnte ich zwar nicht Online finden. Ich konnte aber diese Kriterien aus dem nachstehend zitierten WHO-Dokument eruieren: Serological diagnosis of human immunodeficiency virus in Burkina Faso: reliable, practical strategies using less expensive commercial test kits (pdf-Dokument, 303 kB). Diesem Dokument entstammt auch das folgende Zitat:

“WB results were interpreted according to WHO criteria (14), whereby positive signals for two out of three env bands are considered as positive. The WB result was considered to be negative if no specific HIV band or a very weak p17 signal was observed, and to be indeterminate in any other situation. Serum was taken to have a true HIV-positive status when reactivity was observed with at least one ELISA or rapid test, and also with WB I, WB II or both. A true negative status for HIV was indicated when all the ELISA and/or rapid tests, or WB showed no reactivity.”

Die Hervorhebung im Zitat ist von mir; die erwähnten “env bands” – von “envelope” – beziehen sich auf Hüllproteine des Virus.

Beunruhigendes Fazit

Aus den bisherigen Ausführungen ergeben sich zwei unvermeidliche, aber beunruhigende Schlussfolgerungen:

1. Der einem oder einer Betroffenen zugeschriebene HIV-Status – positiv, negativ, unbestimmt – hängt offenbar davon ab, nach welchen Standards in welchem Labor und in welchem Land ein Western Blot interpretiert wird. Entsprechendes Wissen vorausgesetzt, könnte also theoretisch gefordert werden, einen Western Blot dort interpretieren zu lassen, wo die strengsten Standards gelten, um die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Diagnose zu reduzieren, bzw. dort, wo die laxesten Standards vorherrschen, um die selbe Wahrscheinlichkeit zu erhöhen.

2. Der Kenntnisstand in der Aids/HIV-Medizin ist offensichtlich so gering oder so unterschiedlich, dass eine internationale Einigung auf eine einheitliche Interpretation von für betroffene Menschen höchst wichtigen Testergebnissen nicht möglich ist und solche Interpretationen oft auf Basis von “Daumenregeln” erfolgen – und das offenbar seit Ende der 1980er Jahre.

Ich weiß natürlich nicht, wie andere Menschen mit den hier angeführten Informationen umgehen würden. Für mich sind sie jedenfalls ziemlich beunruhigend. Wären diese Informationen einer größeren Öffentlichkeit bekannt, sind negative Auswirkungen auf die Bereitschaft von Menschen, sich auf eine HIV-Infektion testen zu lassen, meines Erachtens nicht auszuschließen. Vom Standpunkt der Aidsprävention gesehen wäre das natürlich völlig kontraproduktiv.

Eine umfassende Information der Öffentlichkeit, die in der Regel als wesentlicher Bestandteil erfolgreicher Präventionskampagnen betrachtet wird, hätte wahrscheinlich im Kontext der HIV-Diagnostik den umgekehrten Effekt. Mithin existiert also unter Umständen ein Widerspruch zwischen gesundheitspolitischen Zielen und dem demokratiepolitischen Ziel, möglichst umfassend informierte, zu Kritik und zu selbstverantwortlichem Handeln befähigte BürgerInnen heranzubilden.

Diese Schlussfolgerung ergibt sich m.E. bereits auf Basis der allgemein anerkannten medizinischen AIds/HIV-Theorien.

Ein viel weitreichenderes Problem entsteht jedoch, wenn außerdem noch in Betracht gezogen wird, dass einige WissenschaftlerInnen auf Basis veröffentlichter medizinischer Fachliteratur zahlreiche, wenn nicht sogar alle der in Western Blots verwendeten Proteine als nicht “spezifisch” für das HI-Virus betrachten.

Siehe etwa:
Is a positive Western Blot Proof of HIV Infection? Papadopulos-Eleopulos, E., Turner, V. F. & Papadimitriou, J. M. Bio/technology 11, 696-707 (1993).
“The WB proteins (bands) which are considered to be coded by the HIV genome and to be specific to HIV may not be coded by the HIV genome and may in fact represent normal cellular proteins.”

Darüber hinaus verweise ich vorläufig generell auf die von mir unter links/papers angeführten Informationsquellen.)