Finanzmärkte: Außer Kontrolle?

[April 1999]

Seit den jüngsten Finanzkrisen ist der Aufbau einer “neuen internationalen Finanzarchitektur” ein beherrschendes internationales Thema. Kein Wunder: Nach dem russischen Schuldenmoratorium im Sommer 1998 waren plötzlich Gewitterwolken am Himmel der Finanzwelt aufgetaucht, die erst nach bangen Wochen wieder verzogen – nicht ohne einen ersten Blitz zu verschleudern, der den Hedge Fund “Long Time Capital Management” und damit ins Herz der Wall Street traf. Das internationale Finanzsystem sei “gerade noch davongekommen”, urteilte etwa Andrew Crockett, Generaldirektor der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) im vergangenen November.

Von einer Re-Regulierung der globalen Finanzmärkte ist allerdings keine Rede: Vorläufiges Ergebnis ist etwa ein informeller Klub von Zentralbankern und Vertretern der Finanzwelt, das neugegründete “Forum für Finanzstabilität”, dem Crockett nun vorstehen wird. Die Devise: Vertrauen in die Fähigkeit der Marktteilnehmer, sich selbst zu regulieren. “Mit Glück und geschicktem Management”, so Crockett, “besteht durchaus die Chance, daß sich die Dinge von nun an zum Besseren wandeln”. Mit anderen Worten, und in einer Analogie, die auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos en vogue war: Die Autobahn (die globalen Finanzmärkte) ist in Ordnung, nur die Autofahrer (Finanzmarktakteure, Regierungen) müssen vorsichtiger fahren, um Unfälle (Finanzkrisen) zu vermeiden.

Wir haben in diesem Schwerpunkt eher jenen Auffassungen Raum gegeben, die die Autobahn als Problem betrachten – als Manifestation eines neuen Kapitalismus, der mit der Aufgabe der fixen Wechselkurse in den 70er Jahren seinen Ursprung nahm. Die Etablierung eines freien, von Angebot und Nachfrage bestimmten Devisenmarkts war demnach das erste Zeichen eines wirtschaftspolitischen Kurswechsels, der über einen Deregulierungs- und Liberalisierungswettlauf zu einer Hegemonie des Finanzkapitals führte. Das Erfolgsrezept: die Einbeziehung immer breiterer Bevölkerungskreise als Aktionäre und Anleger auf den Kapitalmärkten. Eine Tobin-Steuer auf Finanzmarktgeschäfte ist für die französische Organisation Attac dabei nur ein erster Schritt, um die Kontrolle über die Globalisierungsprozesse wiederzugewinnen.

Worum geht es? Um andere Rahmenbedingungen. Denn heute, so erklärte etwa ein früherer malaysischer Forstminister gegenüber David Korten, dem Präsidenten des “People Centered Development Forum” (USA), wäre Malaysia besser dran, wenn der gesamte Wald des Landes abgeholzt und die Erlöse zinstragend auf der Bank deponiert würden – das brächte die höhere Rendite.

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