Sozialklauseln im Welthandel: Editorial

[November 1998]
Hauptartikel zum Thema: Der Bock als guter Gärtner

Vor dem Hintergrund einer drohenden weltweiten Rezession erscheinen Forderungen, die Lage der Menschen im Süden durch Sozialklauseln im internationalen Handel zu verbessern, als Versuch, das Pferd am Schwanz aufzuzäumen. Die Währungs- und Finanzkrisen des vergangenen Jahres haben eine Spur der sozialen Verwüstung in Ostasien hinterlassen und drohen, auch dem jüngsten Aufschwung in Lateinamerika und Afrika ein Ende zu setzen. Im Süden stehen die Lebenschancen hunderter Millionen Menschen und die Zukunft einer ganzen heranwachsenden Generation auf dem Spiel. Niemand bezweifelt, daß sich der Zugang der Entwicklungsländer zu Investitionskapital und Exportmärkten nachhaltig verbessern muß, um wirtschaftliches Wachstum und damit die Voraussetzungen für eine Überwindung der Armut und eine Verbesserung der sozialen Lage zu schaffen.

Gleichzeitig droht der globale Wettbewerb zu einem darwinistischen Überlebenskampf zu entarten. Die Eingriffsmöglichkeiten von Nationalstaaten schwinden durch die “Globalisierung” zusehends dahin. Was fehlt, ist eine internationale Regulierung des “Markts”, der nur die Starken belohnt, die Schwachen bestraft und für wachsende Ungleichheit sorgt. Sozialklauseln, so argumentiert die internationale Gewerkschaftsbewegung, wären ein Bestandteil globaler Regeln, die diesem Konkurrenzkampf die Spitze nehmen würden. Regierungen und Unternehmen sollten durch die Androhung von Handelssanktionen davon abgehalten werden, durch die Mißachtung grundlegender Arbeiter- und Menschenrechte kurzfristige Wettbewerbsvorteile zu erzielen.

Die Crux dabei: Jene glaubwürdige und akzeptierte globale Instanz, die allein für ihre Durchsetzung sorgen könnte, ist nicht oder noch nicht vorhanden. Jedenfalls nicht in Gestalt der Welthandelsorganisation WTO, wie der kategorische Weigerung des Südens vor Augen führt, den Vorschlag überhaupt ernsthaft zu diskutieren. Allenfalls akzeptabel erscheinen Organisationen wie die Internationale Arbeitsorganisation ILO, deren Effektivität auf freiwilliger Zusammenarbeit und Druck der internationalen Öffentlichkeit beruht.

Wir stehen zweifellos erst am Anfang einer Entwicklung, der die Last der Geschichte und politische Interessenkonflikte entgegenstehen. Daß die Debatte über Sozialklauseln kontroversiell und zum Teil theoretisch abgeführt wird, ist daher nicht verwunderlich. (…)

Guter Willen mit Tradition

Havanna-Charta der geplanten internationalen Handelsorganisation ITO von 1948

Die Mitglieder anerkennen, daß alle Länder ein gemeinsames Interesse an der Einführung und Einhaltung produktivitätsabhängiger fairer Sozialstandards und daher an der Verbesserung der Löhne und der Arbeitsbedingungen haben, soweit es die Produktivität erlaubt. Die Mitglieder anerkennen, daß unfaire Arbeitsbedingungen, insbesondere in Exportproduktionen, zu Schwierigkeiten im internationalen Handel führen und daß demgemäß jedes Mitglied alle geeigneten und durchführbaren Maßnahmen zu ergreifen hat, solche Bedingungen innerhalb seines Hoheitsgebiets zu beseitigen.

Singapur-Erklärung der Welthandelsorganisation WTO von Dezember 1996

Wir erklären neuerlich unseren festen Willen, international anerkannte grundlegende Sozialstandards einzuhalten. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) ist dafür zuständig, diese Standards zu setzen und sich mit ihrer Einhaltung zu befassen (…).Wir glauben, daß wirtschaftliches Wachstum und Entwicklung, gefördert durch die Zunahme und die weitere Liberalisierung des Handels, zur breiteren Anwendung dieser Standards beitragen. Wir weisen die Verwendung von Sozialstandards für protektionistische Zwecke zurück und stimmen darin überein, daß die komparativen Kostenvorteile von Ländern, insbesondere von Entwicklungsländern mit niedrigem Lohnniveau, in keiner Weise in Frage gestellt werden dürfen. (…)

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