Kleinwaffen: Kriminelle Ökonomie

[Juni 2001]

Kleinwaffen und ihre zentrale Rolle in Bürgerkriegen sind in den letzten Jahren zu einem der “heißen” Themen auf regionaler und internationaler Ebene aufgestiegen. Den vorläufigen Höhepunkt erlebt diese Entwicklung vom 9. bis 20. Juli 2001, bei einer Konferenz der Vereinten Nationen in New York, die sich auf den illegalen Handel mit Kleinwaffen konzentriert.

Das Ziel: Maßnahmen gegen die weltweite Verbreitung von Kleinwaffen, den eigentlichen “Massenvernichtungsmitteln” in diesen Konflikten.

Parallel dazu wird das Thema auch in Wien verhandelt: Hier geht es um ein Protokoll zur Konvention gegen die transnationale organisierte Kriminalität vom Dezember 2000. Diese Initiativen und ihr Hintergrund werden auf den folgenden Themaseiten dargestellt bzw. bewertet – angereichert mit einer Reportage vom Horn von Afrika von Dominic Johnson (Das Recht des Stärkeren) und einem Seitenblick auf die österreichische Waffenindustrie, ein Bereich, in dem nach wie vor kaum Transparenz herrscht.

Eigentlich hätten beide Prozesse durchaus zusammengelegt werden können. Denn ob nun Bürgerkriege oder Drogenhandel den Hintergrund abgeben, geht es hier wie dort im Kern oft um das selbe: Um im internationalen Maßstab organisierte Verbrechen. Berichte zu Waffen- und Diamantenembargos im UN-Sicherheitsrat lesen sich heute wie Polizeiprotokolle; nur die Dimension mag sich unterscheiden. Einen verbindenen Ansatz liefert der Sozialwissenschaftler Peter Lock, der auf den Seiten dieses Themas ausführlich zu Wort kommt (siehe Interview): In jedem Fall geht es um soziale Räume außerhalb des staatlichen Gewaltmonopols, die sich in Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Globalisierung entwickeln und in denen ökonomische Transaktionen zunehmend unter Einsatz von Gewalt stattfinden. Kleinwaffen sind einfach das ideale Mittel dafür.

Genau so lässt sich auch die Situation am Horn von Afrika verstehen. Ein “schwacher Staat” tendiert, konfrontiert mit einem privaten Aufrüstungswettlauf, zur Auflösung; in diesem keineswegs “herrschaftslosen” Raum gilt das Recht des Stärkeren. Was letztlich Crackdealer in Detroit, Viehräuber in Nordostkenia und etwa die Rebellen in Sierra Leone oder Angola unterscheidet, ist vielleicht bloß die Ergiebigkeit ihrer Einkunftsquelle. Die bestimmt ihre Expansionskapazität und ihren Operationsradius: Der bleibt im Fall der Viehräuber regional, reicht in Detroit vielleicht bis nach Miami und in Sierra Leone jedenfalls bis Antwerpen, wo die Diamanten jene Devisen erlösen, die zum Erwerb der Waffen benötigt werden.

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