Lomé 2000: Erstes Abtasten

[April 1999]

Die Europäische Union und ihre Partnerländer in Afrika, der Karibik und dem Pazifikraum (AKP) verhandelten Anfang Februar erstmals auf Ministerebene über die Grundzüge eines neuen Lomé-Abkommens (Lomé 2000). Nüchterne Bilanz des Treffens in der senegalesischen Hauptstadt Dakar: Über die großen Ziele ist man sich einig, nämlich Bekämpfung der Armut und graduelle Integration der AKP-Länder in die Weltwirtschaft. Ansonsten ist vor allem klarer, worüber man sich uneins ist. Wesentliche Differenzen bestehen etwa in bezug auf den Charakter des politischen Dialogs und das zukünftige Handelsregime nach Ablauf der aktuellen Lomé-IV-Abkommens im Februar 2000.

Politischer Dialog: Hier will die EU die sogenannten "essentiellen Elemente" in Lomé IV, deren Verletzung zu einer Suspendierung der Zusammenarbeit führen kann (Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit) um "verantwortliche Regierungsführung" (good governance) erweitern. Die AKP-Seite bekennt sich zwar zur "good governance", fordert aber jedenfalls eine gemeinsame Definition und will vor allem eines nicht: daß die EU unilateral über Vertragsverletzungen entscheidet. Uneinigkeit besteht auch über die Art des Dialogs mit Vertretern der Zivilgesellschaft, der im Prinzip befürwortet wird.

Handelsregime: Die Lomé-Handelspräferenzen (zollfreie Einfuhr für im wesentlichen alle Produkte, AKP-Länder müssen ihrerseits nicht liberalisieren) verletzen das Diskriminierungsverbot im Welthandel und stützen sich auf eine Ausnahmegenehmigung der Welthandelsorganisation WTO, die nicht auf ewig garantiert ist. Konfliktpunkte sind die Übergangsfristen zu WTO-kompatiblen Lösungen (EU: 5 Jahre, AKP: 10 Jahre), die Zukunft jener AKP-Länder, die nicht zu den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs) gehören, und die Gestaltung zukünftiger regionaler EU-AKP-Freihandelsabkommen.

Die AKP-Seite will WTO-Vergünstigungen wie für LDCs auch auf "verwundbare" Länder wie etwa kleine Inselstaaten angewendet sehen und bei allfälligen Freihandelsabkommen eigene Produktionen möglichst lange und möglichst umfangreich schützen können. Die EU versprach in Dakar, sich bei der WTO für eine Lockerung der Kriterien für regionale Freihandelsabkommen einzusetzen (15 statt 10 Jahre Übergangsfrist, Ausnahmen für 20% statt für 15% des Handelsvolumens). Uneinigkeit besteht auch über die Zukunft der Rohstoffprotokolle (Bananen, Zucker, Rindfleisch, Rum, Reis). Das Bananenprotokoll ist ja Anlaß für den aktuellen Handelskonflikt USA-EU.

Diese und andere Differenzen sollen nun auf Experten- bzw. Beamtenebene bis zum nächsten Ministertreffen am 14. und 15. Juli in Brüssel weiterverhandelt werden. Wie die Verhandlungen letzlich auch ausgehen, eines ist doch bereits abzusehen: Jener Modellcharakter, den das ursprüngliche Lomé-Abkommen von 1975 für die Nord-Süd-Kooperation hatte, wird Lomé 2000 wahrscheinlich nicht zukommen. Denn wichtige Fragen wie in bezug auf die Auslandsschulden und die Welthandelsregeln können im EU-AKP-Rahmen nicht verbindlich geregelt werden. Im einen Fall haben die Gläubigerländer und internationale Finanzinstitutionen das letzte Wort, im anderen Fall die WTO.

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