aids/hiv – verlorene naivität

[Mai 2006]
“Unverdünnt würde jede Blutprobe einen positiven HIV-Test ergeben”

(HIV = “Human Immunodeficiency Virus”, das Virus, das nach allgemeiner Ansicht das “Erworbene Immunschwächesyndrom”/”Acquired Immunodeficiency Syndrome”, kurz AIDS verursacht.)

Ich nehme an, der Satz ganz oben wird die meisten verblüffen. Mir erging es jedenfalls so. Im Sommer 2002 war ich mit solchen und ähnlichen Aussagen in Zusammenhang mit AIDS und seinen Ursachen konfrontiert, die alles in Frage gestellt haben, was ich bisher über diese Krankheit zu wissen glaubte. Aber bevor ich weiter erzähle: Die Behauptung in dem obigen Satz ist etwas gewagt, denn der Wissenschaftler, von dem sie stammt, hatte keine Zufallsstichprobe untersucht (was er auch einräumt). Andere Quellen sprechen etwa von 40% aller Blutproben – noch immer ziemlich irritierend, oder? Aber vielleicht ist es besser, gleich den Text Everyone Reacts Positive von Roberto Giraldo zu lesen – das ist dieser Mann, ein Spezialist für interne Medizin mit einem Diplom (Auszeichnung) der London School of Hygiene and Tropical Medicine der University of London.

Warum schreibe ich als Journalist ohne medizinische Qualifikation über AIDS und was bezwecke ich damit? Keine Sorge: Ich will niemanden davon überzeugen, dass HIV nicht existiert und/oder sich nicht sexuell übertragen lässt, und zwar weil ich es einfach nicht weiß – oder besser gesagt nicht mehr weiß. Denn bis zum Sommer 2002 hatte ich beinahe 20 Jahre lang fraglos alles akzeptiert, was ich über AIDS und HIV gelesen und gehört hatte. Diese Naivität erschien mir im Nachhinein als ziemlich merkwürdig, für geraume Zeit sogar schockierend, und zwar aus zumindest zwei Gründen, wobei der erste mit Kriterien professioneller journalistischer Arbeit zusammenhängt. Der zweite Grund hat viel weitreichendere Implikationen auf persönlicher und meiner Überzeugung nach auch auf weltweiter Ebene.

Das unterschlagene Datenproblem

Zum ersten Grund: Ich schämte mich plötzlich, denn ich hatte in den vorhergegangenen Jahren wiederholt grundlegende Kriterien professioneller journalistischer Arbeit missachtet. Inwiefern? Erstens sollte man immer zwischen Tatsachen und Meinungen unterscheiden, und zweitens, sofern einige “Tatsachen”, die man erwähnt, umstritten oder fragwürdig sind, sollte man das dem/der LeserIn mitteilen.

Aber ich hatte Artikel über AIDS in Afrika und inbesondere über den Kampf geschrieben, armen Ländern anti-retrovirale Medikamente zu leistbaren Preisen zur Verfügung zu stellen (siehe u.a. Nationale Notstände und Ein Stein kommt ins Rollen), und dabei nicht einmal versucht, die Tatsachen zu überprüfen, die die Basis dieses immens wichtigen Problems darstellen. Etwa die alarmierenden Zahlen über HIV-Infektionen und auf AIDS zurückzuführende Todesfälle in Afrika, die von UNAIDS veröffentlicht wurden, der eigens für den Kampf gegen die Krankheit geschaffenen UN-Unterorganisation.

Datenproblem teilweise anerkannt

Das nebenstehend angesprochene Problem der fehlenden gesicherten Daten ist mittlerweile zumindest teilweise anerkannt. Siehe etwa den am 6.April 2006 in der Washington Post erschienenen Artikel How AIDS in Africa Was Overstated.

Auf Basis mittlerweile verfügbarer, (mehr oder weniger) repräsentativer Erhebungen ergeben sich Prävalenzdaten (Altersgruppe 15-49), die in zahlreichen Ländern teilweise drastisch unter den UN-Angaben liegen. Beispiele: Ruanda 2005 – 3% (UN-Daten 2000 11,2%); Burkina Faso 2003 – 1,8% (UN-Daten 2000: 6,44%); Botswana 2004 – 25,3% (UN-Daten 2004: 37,3%).

Die generelle Problematik der HIV-Tests (ELISA, Western Blot) bzw. der PCR-Tests bleibt davon natürlich unberührt.

Dabei hätte schon eine simple Plausibilitätsüberlegung Grund genug geliefert, diesen Zahlen mit äußerster Vorsicht zu begegnen. Da die medizinische Infrastruktur in Afrika südlich der Sahara leider äußerst dürftig ist und ein einziger HIV-Test (“ELISA”-Antikörpertest) mehr kostet als der Betrag, den schwer verschuldete, in permanenter Finanznot befindliche afrikanische Regierungen pro Kopf und Jahr für Gesundheit ausgeben, hätte es mir sofort einleuchten müssen, dass UNAIDS absolut keine Chance hat, zu wissen, was eigentlich los ist – und nicht bloß UNAIDS, sondern letztlich niemand.

Mittlerweile weiß ich, dass in Afrika – unter Anleitung der Weltgesundheitsorganisation WHO und von UNAIDS – tatsächlich von sehr begrenzten Daten über HIV-Infektionsraten von Frauen ausgegangen wird, die Schwangerschaftskliniken besuchen. Dann wird auf Basis epidemiologischer Modelle hochgerechnet, was diese Daten für die Gesamtbevölkerung bedeuten könnten. Diese Modelle beruhen notwendigerweise auf vielen a-priori-Annahmen über Sexualverhalten und Übertragungswahrscheinlichkeiten, die jedenfalls in diesem Kontext absolut nicht überprüft und verifiziert werden können. (1)

Übrigens sind selbst diese begrenzten “harten” Daten keine sichere Basis, denn nicht nur sind die ELISA-HIV-Tests notorisch unzuverlässig, sondern Schwangerschaft gehört noch dazu zu jenen Faktoren, die ein falsch-positives Ergebnis bewirken können – mehr dazu möchte ich in einem späteren Teil mitteilen.

Also hätte ich zumindest meinen LeserInnen sagen müssen, dass die UNAIDS-Zahlen auf einer dürftigen Datenbasis und unbewiesenen Annahmen beruhen. Allerdings muss ich gestehen, dass diese Information die “Story”, die Hauptaussage des Artikels irgendwie relativiert, wenn nicht gar zerstört hätte: Nämlich dass “Big Pharma”, eine der profitabelsten Industrien der Welt, durch ihre Weigerung, die Preise für patentgeschützte AIDS-Medikamente zu senken, das unnötige Leiden und den vorzeitigen Tod von möglicherweise Millionen armer Frauen, Männer und Kinder bewirkt oder in Kauf nimmt.

Das ist dermaßen moralisch unerträglich, dass beinahe alle wichtigen Medien sich auf das Thema stürzten (nicht zu vergessen: nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten). Von den “Zutaten” der Geschichte kann man/frau als JournalistIn nur träumen: es gibt die armen Opfer, die bösen Täter, es geht um Sex (“unheimlich gefährlich”), und das Szenario mutet beinahe schon apokalyptisch an. Worüber soll man überhaupt schreiben, wenn nicht darüber?

Glauben statt Wissen

Wir nähern uns bereits dem zweiten Grund meines Schocks. Ich hatte nie in Frage gestellt, was ich über HIV und AIDS gelesen und gehört hatte. Ich wusste zwar, dass es da ein paar offenbar durchgeknallte Leute gab, die die “offizielle” Theore in Frage stellten, dass AIDS von einem sexuell übertragbaren Retrovirus verursacht wird. Aber ich war überzeugt, dass sie falsch liegen mussten; ich sah daher keinen Grund, mich näher mit ihren Theorien zu befassen.

Im Sommer 2002 wurde mir klar, dass sich meine kategorische Zurückweisung anderer Ansichten über AIDS nicht mit vernünftigen Argumenten rechtfertigen ließ. Ich wusste einfach zu wenig darüber. Meine Haltung beruhte ausschließlich auf meinem Glauben an die Medien, die Gesundheitsbehörden und die medizinischen WissenschaftlerInnen, die die vorherrschende Ansicht verbreiteten. Mehr war da nicht – bloß mein Glaube. Ich hatte keinerlei Versuch unternommen, der Sache selbst auf den Grund zu gehen. Diese Erkenntnis war eine Art Schock für mich.

Warum war ich bereit, etwas einfach zu glauben, was für praktisch alle enorm negativ war, was damals wie eine Bombe einschlug? In den 1980er Jahren glaubten ja alle, auch ich, dass den reichen Ländern eine gewaltige AIDS-Epidemie bevorstünde.

Heute ist alles ganz anders. AIDS hat sich beinahe vollständig in eine Krankheit der armen Länder verwandelt, die Ex-Sowjetunion eingeschlossen, in eine “Armutsseuche”, genauso wie Malaria oder Tuberkulose. Die meisten Menschen, die ich hier in Wien regelmäßig treffe, haben keinerlei Interesse, darüber zu reden: Es betrifft uns ja ganz offensichtlich nicht.

Ich denke, dass sich meine “Glaubensbereitschaft” auf zwei oder drei Hauptursachen zurückführen lässt. Die erste ist meine psychologische Konditionierung, etwas ziemlich Triviales: Die AIDS-Panik passte zu einer (mehr oder weniger bewussten) negativen Einstellung zu spontanen sexuellen Kontakten mit zuvor Unbekannten, Kondom hin – Kondom her. Sie bestärkte meine diesbezüglichen Abwehrmechanismen. Diese Einsicht könnte in verallgemeinerter Form zu einem kulturellen Erklärungsmodell ausgebaut werden, aber darauf will ich hier nicht hinaus.

Die zweite Ursache ist die Art und Weise, wie unsere Gesellschaft funktioniert. Mehr und mehr Informationen – im Sinne von spezialisiertem “Wissen” – werden von Subgruppen akkumuliert, insbesondere von verschiedenen wissenschaftlichen Gemeinschaften, und die Kluft zwischen diesem spezialisierten Wissen und dem Informationsstand der allgemeinen Öffentlichkeit wird jeden Tag größer. Es wird daher für Einzelpersonen immer aufwändiger (und auch teurer im Sinne von Geld), sich ausreichende Informationen über ein nicht mit der eigenen Fachkompetenz identisches Gebiet zu beschaffen, um sich so etwas wie eine “informierte Meinung” in diesem anderen Gebiet zu bilden.

Immer mehr Menschen werden daher dazu neigen, das nicht einmal mehr zu versuchen: Sie werden sich damit abfinden, dass sie sich darauf verlassen müssen, was ExpertInnen, Medien, Behörden und die Menschen in ihrer eigenen Bezugsgruppe sagen oder glauben. Ich habe begonnen, von dieser Beobachtung aus Gedanken über die Rolle der Wissenschaften niederzuschreiben – der erste Teil, noch unter Bearbeitung, kann hier gelesen werden.

Bedenkt man in meinem Fall den psychologischen “Nutzen” aus dem Glauben an die “offizielle” Erklärung von AIDS sowie die Kosten des Erwerbs von (medizinischem oder anderem) Wissen zur Beurteilung derselben, ist ersichtlich, dass ich von Anfang an keinen großen Anreiz hatte, mich um alternative Erklärungsmodelle zu kümmern. Addiert man die dritte Ursache, nämlich den Einfluss der veröffentlichten Meinung sowie gruppendynamische Prozesse in meinem persönlichen Umfeld, tendiert dieser Anreiz gegen Null.

Mein Fazit: Erstens leistete ich schlechte Arbeit als Journalist und zweitens verhielt ich mich wie ein dummes Schaf, ganz und gar nicht wie jene stets skeptische, neugierige, vernunftgeleitete Person, die ich glaubte zu sein bzw. gerne wäre.

Das Nicht-Wissen und sein Preis

Hier möchte ich abschließend nur festhalten, dass der Verlust eines Glaubens mit Kosten verbunden ist. Ich habe seit Sommer 2002 ungezählte wissenschaftliche Papers und andere Texte zu diesem Gegenstandsbereich gelesen, ich tue das weiterhin, wenn ich dafür Zeit habe, und bin bisher zu keiner endgültigen Schlussfolgerung gekommen. Es ist für mich jedoch immer wieder enorm bedrückend, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die offiziell akzeptierten Theorien über AIDS und HIV völlig falsch sind (und die meisten aktuellen Versuche, dieses “Syndrom” zu bekämpfen, daher scheitern müssen). Diese “emotionalen Kosten” bei Verlust eines naiven Glaubens könnten durchaus ein weiterer Grund sein, warum viele Menschen, einfach gesagt, lieber “dumm” bleiben …

Denn man muss sich klar machen, was hier auf dem Spiel steht: Ist die Retrovirus-Theorie grundsätzlich falsch, dann wären die anti-retroviralen Medikamente, sofern sie tatsächlich anti-viral und nicht anti-bakteriell oder auf andere Weise wirken (was ebenfalls behauptet wird) völlig nutzlos (das gilt natürlich nicht für die medikamentöse Behandlung so genannter “opportunistischer” Infektionen, etwa von Pilzinfektionen). Da alle bisher entwickelten anti-retroviralen Medikamente langfristig jedoch schwerwiegende und lebensbedrohende Nebenwirkungen haben, würden sie alles noch schlimmer machen. Und wenn man die Mittel bereitstellt, ob Infrastruktur, Fachpersonal oder Medikamente, um Millionen angeblich HIV-positiver Menschen in Afrika und anderen armen Ländern anti-retroviral zu behandeln, dann würde man ihnen bestenfalls vorübergehend helfen, sie aber letztlich schlicht und einfach umbringen. Das wäre die Begehung eines Massenmords im Ausmaß eines Genozids.

Aufgrund meiner inzwischen erweiterten Kenntnisse und damit verbundenen Zweifel ist es mir jedenfalls nicht mehr möglich, Artikel zu Themen wie AIDS und HIV in Afrika oder anderen armen Ländern zu schreiben, die nur auf den offiziell verbreiteten Informationen beruhen. Ich äußere mich öffentlich nur mehr dann in einer ad-hoc-Form zum Thema, wenn es möglich erscheint, bestimmte zumeist implizite Konzepte und Annahmen, die in der konventionellen Berichterstattung vorherrschen, durch Konfrontation mit Tatsachen zu “dekonstruieren”. Die dabei bisher entstandenden Texte sind in der Übersicht aufgelistet und können auch im weblog gesundheit gelesen werden.

Mir ist bekannt, dass Menschen, die die offizielle AIDS/HIV-Theorie in Frage stellen, oft in äußerst emotionaler Weise als Verleugner/Realitätsverweigerer (“denialists”) attackiert werden: Es wird ihnen vorgeworfen, die Realität nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, weil sie diese schlimme Realität aus psychologischen Gründen nicht aushalten würden. Tatsächlich frage ich mich, welche Realität schlimmer ist: die einer sexuell übertragenen, unheilbaren Krankheit, an der Millionen Menschen zugrunde gehen, oder die eines millionenfachen “Zu-Tode-Behandelns” von Menschen aufgrund eines nicht erkannten wissenschaftlichen Irrtums. Was wäre Ihre Antwort?

(1) Ein Beispiel ist der nachstehende, kursiv gesetzte Text aus einem WHO/UNAIDS-Dokument, das im August 2003 veröffentlicht wurde. Das ganze Dokument kann (per 27.2.2004) an der folgenden Adresse heruntergeladen werden: www.who.int/entity/hiv/strategic/en/lusaka_report.doc. Es beschreibt, wie die Verbreitung von HIV auf Basis von Bluttests in Schwangerschaftskliniken geschätzt werden sollte. Zu beachten sind insbesondere die Annahmen unter den Punkten 3 und 4!

Four steps in estimating HIV prevalence from antenatal clinic data (UNAIDS/WHO method)

1. Fit two curves for all prevalence data for pregnant women in antenatal care in major urban areas and outside major urban areas and obtain median estimates of prevalence.
2. Reduce the median HIV prevalence in non-urban sites by 20% because of under representation of more remote rural clinics.
3. Assume that HIV prevalence among pregnant women is a good proxy for prevalence among all adults 15-49 and compute the national estimate of HIV prevalence by weighting the urban and rural estimates.
4. Assuming that the female male ratio of HIV prevalence is 1.2 to 1, compute the male and female HIV prevalence from the national estimate.