Unternehmen “schwimmen im Geld” – aber warum?

Die großen börsenotierten Unternehmen in den reichen Ländern akkumulieren offensichtlich immer mehr liquide Mittel. Aber nicht nur, weil sie “übermäßige” Profite machen: Sie investieren auch wenig.

Die liquiden Mittel der börsenotierten Unternehmen in Deutschland stiegen 2004 um 10 Mrd. Euro auf 100 Mrd. Euro, ergab eine Erhebung des Instituts für Wirtschaftsprüfung (IWP) an der Universität Saarbrücken und der Unternehmensberatung Mercer Management in Zusammenarbeit mit dem “Handelsblatt” – so eine aktuelle ORF-Meldung (Deutsche Unternehmen horten angeblich 100 Mrd. Euro , ORF Online, 25.9.2005) . IWP-Chef Karlheinz Küting wird mit dem Vorwurf an die Unternehmen zitiert, sie würden zu wenig investieren – sie nützten “ihre strategische Stärke” nicht – so als ob Investitionen eine moralische Pflicht der Unternehmen wären. Warum sie jedoch “zu wenig” investieren, erfährt man in der Meldung nicht.

Interessanter ist da schon ein Artikel, der Anfang Juli im Economist erschien, wenn auch unter einem irreführenden Titel: The corporate savings glut (Economist, 7.7.2005). Erstens wird gezeigt, dass sich das Problem mit den geringen Investitionen nicht auf Deutschland beschränkt, sondern auch in Japan und in den USA grassiert. Quantifiziert, auf Basis von finance.yahoo.com Informationen: Ende Mai 2005 hielten die Unternehmen des Standard&Poor 500-Index, und zwar ohne die dem Finanzsektor zuzurechnenden Unternehmen, liquide Mittel in Höhe von 630 Mrd. US-Dollar, fast ebensoviel wie ihre Gewinne in den zwölf Monaten vor März 2005 (ca. 667 Mrd. Dollar).

Der Artikel nennt zwei mögliche Gründe für diese geringen Investitionen (in den USA): 1. Überinvestitionen in den Boom-Jahren 2. Die Einsicht, dass der Boom der Konsumnachfrage in den USA keine feste Basis hat und einbrechen wird – mit anderen Worten, es zahlt sich nicht aus, Kapazitäten zu erweitern etc. Andere Analysten vermuten als Grund eine “Risikoscheu” – was auch als Folge der vergangenen Überinvestitionen zu betrachten wäre.

Analog dazu liegt es nahe, die geringen Investitionen in Deutschland mit den negativen Erwartungen hinsichtlich des Wachstums der inländischen Konsumnachfrage zu erklären. In Österreich verhält es sich auch nicht anders. Abgesehen von mehr schuldenfinanzierten Staatsausgaben und einer heftigeren Umverteilung der Einkommen von oben nach unten ist kaum Abhilfe zu erkennen – aber für beides fehlt derzeit wohl der politische Konsens, ungeachtet der Frage, wie effektiv solche Eingriffe sich tatsächlich erweisen würden.

Alles das verheißt nichts Gutes für die Weltwirtschaft. Die Wachstumsprobleme in Deutschland und in Japan sind bekannt; in den USA wiederum wirkt sich das Phänomen nur wegen des Konsumexzesses der privaten Haushalte und des Booms beim Eigenheimbau (noch) nicht auf die Wachstumsraten aus. Wenn dann auch noch der Investitionsboom in China nachlässt, den die Regierung in Beijing seit zwei Jahren einzubremsen versucht – und Anzeichen gibt es, dass es ihr zu gelingen beginnt – dann könnten die zwei wichtigsten Wachstumsmotoren, die USA und China, gleichzeitig ins Stottern kommen.

Abgesehen von diesen mittelfristig nicht gerade rosigen Aussichten stellt sich auch die Frage, ob es überhaupt möglich sein wird, in den reichen Ländern in weiterer Zukunft “nachhaltig” (im Sinne von beständig) ausreichendes Wirtschaftswachstum zu erzeugen. Denn wenn das nicht gelingt, ist das System in Gefahr. Erste Gedanken dazu habe ich in einem Kommentar formuliert: Gibt es eine – bessere – Alternative zum Kapitalismus? Sobald ich eine Patentlösung dafür finde, werde ich sie natürlich hier oder anderswo veröffentlichen …

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