Kleinwaffen/Österreich: Was ich nicht weiß …

[Juni 2001]

Um die Geschäfte der österreichischen Rüstungsindustrie wird nach wie vor Geheimniskrämerei betrieben: Lizenzabkommen im Ausland werden nicht erfasst, über Waffenexporte muss das Parlament nicht informiert werden.

Es ist ruhig geworden um die österreichische Waffen- und Rüstungsindustrie. Vorbei sind die Zeiten, als die Branche noch Schlagzeilen lieferte, etwa die VOEST-Tochter Noricum mit ihren unter Lizenz produzierten GHN-45-Kanonen, die in den 80er Jahren ihren Weg an beide Parteien des Iran-Irak-Kriegs fanden. Hat sich die Branche geläutert?

Schwer zu sagen.

Denn erst 1999 wurde aus Unterlagen der ehemaligen ostdeutschen Staatssicherheit (Stasi) bekannt, dass die damals staatliche Munitionsfirma Hirtenberger in den 80er Jahren illegale Millionengeschäfte mit Granatwerfermunition gemacht hat, u.a. mit dem Iran. Glück für die Beteiligten: Aufgrund des niedrigen Strafausmaßes für derartige Verstöße ist die Angelegenheit verjährt. Durchaus aktuell sind allerdings die prinzipiellen Probleme der Industrie: Die inländische Nachfrage ist zu gering, daher muss der wirtschaftliche Erfolg im Export oder durch Lizenzproduktionen im Ausland gesichert werden.

Die Lizenzproduktion in Malaysia wurde offenbar 2001 eingestellt – zumindest nach dieser Quelle:
“A total of 202 SMET workers were given notice that they will be retrenched by February 28 as the company will be closed down due to the Defense Ministry’s move to terminate the RM350 million contract for 106,000 Steyr guns.”
KSM DALAM BERITA – Archived News
Mittlerweile ist diese Quelle nicht mehr im Web (18.9.08)

Das fängt beim Sturmgewehr STG 77 der Firma Steyr-Mannlicher an (Lizenzproduktion etwa in Malaysia, SME Technologies) und reicht bis zur Pistole der Firma Glock in Ferlach, ein weltweiter Exportschlager. Plastik-Handgranaten der Firma ARGES Armaturen werden – oder wurden zumindest – in Lizenz von der staatlichen Pakistan Ordnance Factory hergestellt; nach indischen Presseberichten tauchten sie auch in Waffenverstecken von Rebellen in Kaschmir auf.

Kein Wunder – sie werden ja vom pakistanischen Geheimdienst versorgt. Hirtenberger-Granatwerfer und die dazugehörige Munition wiederum werden etwa von Arsenal Co., Kasanlak, Bulgarien in Lizenz produziert (siehe die archivierte Website Arsenal Products von 2001, Hirtenberger rot hervorgehoben). Da sollten die Alarmglocken schrillen: Nicht nur sind bulgarische Rüstungsbetriebe notorisch in illegale Waffenlieferungen verwickelt. Insbesondere Arsenal produziert Kleinwaffen (auch Kalaschnikows) fast ausschließlich für den Export, zumeist nach Afrika.

Zuletzt geriet das Verteidigungsministerium in die Kritik, als rund 40.000 Sturmgewehre vom Typ STG-58 aus Bundesheerbeständen an einen Schweizer Waffenhändler um 7,5 Millionen Schilling verscherbelt wurden. Von den Grünen attackiert, rechtfertigte sich Verteidigungsminister Herbert Scheibner im Vorjahr im Parlament: “Was eine Firma, die diese Waffen kauft, dann unter Bruch dieser Bestimmungen, unter Falschangaben mit diesen Waffen unternimmt, das entzieht sich selbstverständlich unserer Einflussnahme.” Genauso argumentieren bulgarische Regierungsstellen.

Eine Wiederholung solcher dubiosen Exporte könnte aber nun zumindest erschwert sein. Denn durch die letzte Novellierung des österreichischen Gesetzes über die Ausfuhr bzw. Durchfuhr von Kriegsmaterial kann nun die Vernichtung ausrangierter Bestände per Verordnung vorgeschrieben werden – wenn der Finanzminister zustimmt. Auch “Vermittlung” von Waffengeschäften durch Personen mit Wohnsitz oder Sitz in Österreich “von außerhalb des EU-Zollgebiets nach außerhalb des EU-Zollgebiets” wird nun unter Strafe gestellt.

Praktisch missachtet wurde jedoch ein Forderungskatalog der österreichischen Kampagne “Verbessern statt Verwässern”, an der auch die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungszusammenarbeit AGEZ beteiligt ist. Unter den ignorierten Vorschlägen: Erfassung der Lizenzabkommen im Ausland und parlamentarische Berichtspflicht des Innenministers über Waffenexporte. Transparenz ist also unerwünscht. Warum, bleibt offen.

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