Unerklärte Übersterblichkeit: Wiener Landesstatistiker rätselt

Eine Untererfassung von Covid-19-Todesfällen könnte hinter der unerklärten Übersterblichkeit in Österreich stecken, mutmaßt ein Wiener Landesstatistiker. Hätte er recht, brächte das Österreich in Sachen Covid-19 in eine Liga mit Schweden.

Eine Schlamperei beim Testen schwer erkrankter und sterbender Menschen ist nur eine der Mutmaßungen, die der Wiener Landesstatistiker Ramon Bauer anstellt, um die Differenz zwischen Übersterblichkeit und Covid-19-Todesfällen in Österreich zu erklären. Eine andere: eine Hitzewelle im Sommer. Und man sollte vorsichtig bei der Interpretation der Statistik sein, wie er dankenswerterweise hinzufügt. Was den ORF aber nicht davon abhält, den Bericht dazu mit dem Titel CoV-Todesfälle möglicherweise unterschätzt zu versehen.

Dazu ist einiges zu sagen. Erstens ist unklar, woher die im Bericht angegebene Zahl von “etwa 6.500” Covid-19-Todesfällen stammt. Laut Ages (Angaben vom 29.1.) waren es bis einschließlich 31.12. 6.365, laut WHO-Daten (siehe unten) nur 6.086. Zweitens ist die Annahme, Covid-19-Todesfälle wären nicht als solche erfasst worden, höchst unplausibel: Es würde bedeuten, dass Menschen in Krankenhäusern und auf Intensivstationen trotz eindeutiger klinischer Covid-19-Symptome [Update: “eindeutig” insofern, als sie – neben anderen Ursachen – jedenfalls auch auf eine SARS-CoV-2-Infektion zurückzuführen sein könnten] wochenlang nicht auf eine Infektion getestet worden wären.

Es ist ganz im Gegenteil weit eher davon auszugehen, dass die Zahl der offiziellen Covid-19-Todesfälle in Österreich überschätzt ist, da diese Statistik nicht auf einer Abklärung der tatsächlichen Todesursachen beruht, sondern nur auf positiven Testergebnissen in den Wochen vor dem Ableben.

Es gab 2020 in Österreich auch keine besondere “Hitzewelle”, wie Daten auf zamg.ac.at zeigen: Die Durchschnittstemperaturen im Sommer lagen höchstens um 0,5° über dem Schnitt, und das gilt auch für die einzelne Monate (Jahreszeitenmittel der Lufttemperatur für Sommer 2020). Außerdem entfällt nur ein geringer Teil der überzähligen Todesfälle auf den Sommer, wo sogar eine “Pause” zu beobachten ist, siehe Grafik (nur Todesfälle Altersgruppe 65 plus; zu den Datenquellen siehe Altersgruppe 65 plus: Hohe unerklärte Übersterblichkeit in KW11 bis KW52).

Trotz Lockdowns nicht besser als Schweden? Die unerklärte Übersterblichkeit auf eine Untererfassung von Covid-19-Todesfällen zurückzuführen, hätte übrigens eine weitere Konsequenz: Die Bilanz der offiziellen Covid-19-Maßnahmen der österreichischen Regierung wäre um nichts besser als die im wegen seiner “lockeren” Reaktion gebrandmarkten Schweden. Das zeigt die Relation der Todesfallzahlen zur Bevölkerung auf Basis von Daten der Weltgesundheitsorganisation WHO (Bevölkerungsdaten: 2019, Eurostat), WHO, Schweden bzw. WHO, Österreich.

“Offiziell” sieht Österreich derzeit besser aus (Fälle pro 100.000):

Schweden bis 31. Dezember: 9.648 Todesfälle, Bevölkerung 10,23 Millionen, 94,3 / 100.000
Österreich bis 31. Dezember: 6.086 Todesfälle, Bevölkerung 8,859 Millionen, 68,9 / 100.000

Wird die gesamte Übersterblichkeit Covid-19 zugeschlagen, schneidet Österreich sogar schlechter ab:
Österreich, Übersterblichkeit bis 31. Dezember: ca. 8.400 Todesfälle, Bevölkerung 8,859 Millionen, 94,8 / 100.000

Es ist daher anzunehmen, dass die Hypothese “Untererfassung der Covid-19-Todesfälle” sich kaum als offizielle Erklärung der überzähligen Todesfälle durchsetzen wird. Sie wäre ein weiteres und ziemlich gewichtiges Argument für eine Unverhältnismäßigkeit der in Österreich getroffenen Maßnahmen.

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