Zur Astrologie

Oje, Astrologie … “glaube” ich daran? “Jein” wäre eine zutreffende Antwort.

“Nein” würde aber auch stimmen: Mein Verständnis des Begriffs “Glauben” entspricht eher dem “meinen, für wahr halten”; was man/frau “glaubt”, sollte sich also bis zu einem gewissen Grad vernünftig begründen lassen.

So richtig gelingt mir das aber nicht – nicht einmal mir selbst gegenüber. Mein Verhältnis zur Astrologie ist eher ein “intuitives”, auf einer irgendwie unmittelbareren Erfahrungsebene angesiedelt. Dennoch besteht m.E. a priori kein Widerspruch zwischen Astrologie und Rationalität (kurz dazu gleich anschließend). Wie auch immer: Für alle, die mit Astrologie etwas anfangen können, habe ich hier jedenfalls mein Geburtshoroskop veröffentlicht.

Mit dieser vielleicht inkonsistent erscheinenden Haltung befinde ich mich nicht unbedingt in übler Gesellschaft. Das könnte auch der folgenden Geschichte über den dänischen Nobelpreisträger Niels Bohr und das auffällige Hufeisen entnommen werden, das über dem Eingang seines Hauses prangte. Er erklärte, es sei ein Glücksbringer und helfe ihm bei seiner Forschungsarbeit. Auf die Frage, ob er tatsächlich diesem Aberglauben anhänge, meinte er “Natürlich nicht! Aber man hat mir gesagt, dass es funktioniert, auch wenn man nicht daran glaubt.”

Ist Astrologie Schwachsinn?

Für ungezählte Menschen scheint sonnenklar, dass Astrologie völliger Schwachsinn ist – auch wenn sie keine Ahnung von der Materie haben.
Der britische Astrologe Robert Currey hat sich mit den gängigsten “Argumenten” eingehend befasst – hier seine lesenswerten Ausführungen: Why it is no longer acceptable to say astrology is rubbish on a scientific basis

Grundsätzlich betrachte ich Astrologie einfach als ein Modell zur Beschreibung der Welt – genauso wie religiöse Beschreibungen oder Modelle auf Basis der Naturwissenschaften. Diese Modelle stehen nicht notwendigerweise miteinander in Widerspruch. Sofern man – meiner Ansicht nach zu Recht – die Möglichkeit einer “absoluten Wahrheit” ausschließt, sind Modelle nützlich und akzeptabel, wenn sie ihren Zweck erfüllen. Für die meisten Zwecke kommt man mit einem Newtonschen Modell aus; Einstein braucht man in der Regel nicht.

Astrologie wird zumeist (aber nicht nur) als Erklärungsmodell für Erfahrungen der Wirklichkeit auf individueller Ebene verwendet. In diesem Bereich hat die empirische “wissenschaftliche” Psychologie nicht viel zu bieten, zumindest was Vorhersagbarkeit und Wiederholbarkeit betrifft. Was auch kein Wunder ist: Dafür sind individuelle Wirklichkeiten im Allgemeinen viel zu komplex (das Resultat zu vieler und oft noch dazu unbekannter Variablen). Die Astrologie füllt vielleicht bloß eine Lücke, indem sie Ursachen und Gründe für das ansonsten scheinbar oder tatsächlich Unerklärliche bereitstellt.

Am Problem der Komplexität laboriert aber auch die Astrologie: Ihr Modell beinhaltet derart viele Parameter (Zeichen, Planeten, Häuser, Transite, Progressionen etc.), dass “einfache und klare” Antworten schon aus rein mathematischen Gründen zumeist gar nicht möglich sind. Wer der Astrologie unterstellt, dass sie das “Bedürfnis nach klaren Antworten gut bedient”, beweist damit bloß, dass sie oder er keine Ahnung davon hat (Zitat aus Unbeantwortetes öffnet Raum für Pseudowissenschaften). Kritik an der Astrologie lässt sich m.E. weit eher am Gegenteil festmachen: Ihre Aussagen sind zu verschwommen und unpräzise.

Ein weiteres Argument gegen die Astrologie ist ihr Potenzial, “sich selbst erfüllende Prophezeiungen” zu generieren: Beginnen wir daran zu glauben, was “unsere Sterne” angeblich über uns aussagen, kann es sein, dass wir am Ende diesem astrologischen Bild entsprechen und uns ihm gemäß verhalten, und unser Leben kann sich genauso entwickeln wie vorhergesagt und daher wie erwartet – womit “bewiesen” wird, dass an der Astrologie was dran ist. Das ist durchaus möglich.

Aber da wir alle – unvermeidlich – in unserem eigenen individuellen “Realitätstunnel” leben, unser Selbstbild inklusive, unterliegen wir auch immer sich selbst erfüllenden Prophezeiungen, ganz unabhängig davon, ob man an Astrologie oder was auch immer “glaubt” oder nicht. Und sind unsere Realitätstunnel “negativ” (gemessen an der Fähigkeit, unsere eigenen Interessen zu realisieren), werden wir unter Umständen zum Opfer unserer eigenen negativen Erwartungen. Dann kann sich ein Gefühl von “Schicksalshaftigkeit” einstellen, auch wenn man ein “naturwissenschaftliches” Weltbild hat.

Astrologie in ihren eher “modernen”, psychologisch orientierten Versionen integriert in der Regel Einsichten oder Erkenntnisse der Psychologie des 20. Jahrhunderts, einschließlich der Psychoanalyse. Insofern kann sie als eine Sichtweise, als Modell verwendet werden, um die eigenen bereits etablierten “Realitätstunnel” zu relativieren oder zu analysieren; man braucht dabei an nichts zu “glauben”.

Sofern man von vornherein dazu neigt, sich selbst als machtlos gegenüber den Umständen zu empfinden, kann man natürlich zum Sklaven irgendwelcher planetarischer Konstellationen werden. Das entspricht aber nicht dem “Geist” der Astrologie, wie ich ihn verstehe: man sollte versuchen, seine “Sterne zu meistern” und sich ihnen nicht unterwerfen. In diesem Sinn kann man astrologische Persönlichkeitsmodelle als Instrument verwenden, negative Konditionierungen während der Kindheit oder in späteren Lebensabschnitten aufzulösen oder zumindest aufzuweichen.

Noch ein Nachsatz: Das aktuelle wissenschaftliche Weltbild ist ja alles andere als “geschlossen” (die Links im Absatz führen zu Wikipedia-Einträgen): Es existieren entscheidende Lücken – in der Physik etwa die Vereinbarung der Aussagen der Relativitätstheorie mit jenen der Quantenmechanik. Wir wissen nicht einmal, woraus unser Universum besteht – “normale” Materie dürfte nur 5% ausmachen, der Rest soll aus (hypothetischer) Dunkler Materie und Dunkler Energie bestehen. Und gerade das für uns Menschen entscheidende Phänomen des (Selbst-)Bewusstseins verweigert sich bis dato einer wissenschaftlichen Erklärung.

Das ist natürlich kein Argument dafür, dass an der Astrologie etwas dran ist. Aber zumindest mich hält es davon ab, alles nicht wissenschaftlich Gesicherte mit Vehemenz und Selbstgewissheit als absoluten Nonsens zu verurteilen.