die peak oil diskussion

[24.6.2005]

Einige ÖlexpertInnen behaupten, dass die weltweite Ölförderung ihren Höhepunkt lange vor 2010 erreichen wird. Wenn sie recht haben, steckt die Welt bereits in einem gewaltigen Schlamassel.

Anmerkung
Die damals befürchteten Szenarien sind bekanntlich nicht eingetreten, nicht zuletzt wegen des “Shale-Oil Booms” in den USA.

Peak oil bezeichnet den Zeitpunkt, zu dem die weltweite Förderung von konventionellem Öl (ausgenommen schweres Öl, Öl aus Ölsanden und aus der Konversion von gasförmigen Bestandteilen) ihren historischen Höhepunkt erreicht. Es handelt sich nicht um den Zeitpunkt, zu dem der Welt “das Öl ausgeht”. Der “Peak oil”-Zeitpunkt ist aber der wesentliche. Ab dann wird die weltweite Versorgung mit billigem konventionellem Öl nicht mehr zunehmen – wie bisher – sondern zurückgehen. Sollte zu diesem Zeitpunkt die weltweite Ölnachfrage noch immer zunehmen, werden die Ölpreise dramatisch steigen – wahrscheinlich bereits weit vor diesem Zeitpunkt. Die ersten “Opfer” werden ärmere Länder im Süden sein.

Dass die Ölförderung einen “Peak” erreichen wird, ist unbestritten. Die Frage ist bloß: Wann?

Die Antworten auf diese Frage unterscheiden sich krass, je nachdem, ob man “Optimisten” oder “Pessimisten” befragt, wobei letztere bevorzugen, “Realisten” genannt zu werden. Die Hauptunterschiede beziehen sich auf den Umfang der noch vorhandenen weltweiten Ölreserven und der potenziellen zukünftigen Entdeckungen. Ich habe versucht, einige der angesprochenen Fragen hier anzureißen.

Offizielle Schätzungen wie jene der Internationalen Energieagentur (IEA) stützen sich in der Regel auf die Argumente der Optimisten, zu denen auch das Ölbranche-Beratungsunternehmen IHS Energy gehört. Ihr Standpunkt basiert u.a. auf Statistiken der Ölbranche wie etwa der von British Petroleum jährlich veröffentlichten Statistical Review of World Energy (Link zur letzten Ausgabe). Demnach sind die bekannten Reserven durchaus ausreichend, um auch bis 2030 oder darüber hinaus keinerlei Knappheit befürchten zu müssen (allerdings unter der Voraussetzung, dass entsprechende Investitionen in Exploration und Entwicklung von Ölvorkommen getätigt werden).

Eine ebenfalls eher optimistische, aber doch etwas skeptische Position bezieht das Institut Français du Pétrole.

Nicht zu vergessen jedoch: Sogar die IEA nimmt an, dass die Ölförderung außerhalb der OPEC 2010 ihren Höhepunkt erreichen wird. Das heißt, dass jede zusätzliche Versorgung danach aus den OPEC-Ländern kommen müsste, insbesondere aus Saudi-Arabien und dem Irak, wo sich der Großteil der bekannten Ölreserven befindet. Diese Einschätzung ist an sich von hoher strategischer Bedeutung für große Netto-Ölimporteure – für die USA, für China und bald für Indien.

Andererseits gibt es ÖlexpertInnen, die behaupten, dass die weltweite Ölversorgung weit rascher an ihre Grenzen stoßen wird (oder könnte), und zwar jedenfalls vor 2010 (siehe beispielsweise The End of Cheap Oil von Colin J. Campbell und Jean H. Laherrère, ursprünglich veröffentlicht im Scientific American, März 1998). Eine ebenfalls eher pessimistische Einschätzung vertritt das britische Oil Depletion Analysis Centre.

Campbell und seine KollegInnen, die nun unter dem Namen “The Association for the Study of Peak Oil&Gas” (ASPO) auftreten, betreiben eine regelmäßig aktualisierte Website unter www.peakoil.net. Ebenfalls geboten wird eine Site mit einem Forum zu vielen damit zusammenhängenden Themen und Hinweisen auf relevante Nachrichten, www.peakoil.com – wer dort vorbeischaut, kann sich selbst ein Bild davon machen, ob ihr Standpunkt Aufmerksamkeit verdient.

Die pessimistische Sicht (der ASPO) lässt sich anhand der folgenden Grafik illustrieren. Die rote Fläche repräsentiert die zusätzliche Menge Öl (in Barrel pro Tag), die nötig ist, um die von der IEA erwartete Nachfrage zu decken. Die blaue Linie durch die rote Fläche repräsentiert die wahrscheinliche Ölförderung nach den Prognosen der ASPO. Die Abwärtsneigung der blauen Fläche entspricht dem natürlichen Rückgang der Förderung (“Förderabfall”) aufgrund der Erschöpfung alter Ölfelder.

Ansichten wie die der ASPO werden in der Regel als schwarzseherisch abgetan, unter anderem mit dem Argument, dass Verknappungsszenarien wie jene des Club of Rome in the 1970er Jahren (“Die Grenzen des Wachstums”) sich bisher als unzutreffend erwiesen hätten.

Tatsächlich sollte man beten, dass diese ÖlexpertInnen unrecht haben. Denn haben sie recht, dann steckt die Welt bereits in einem gewaltigen Schlamassel. Lange bevor die Effekte der Akkumulation von Treibhausgasen in der Atmosphäre wirklich spürbar werden, könnte die Weltwirtschaft durch einen Treibstoffmangel in eine fatale Krise geraten, ein Albtraum aus geopolitischer Sicht.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Meine Absicht ist nicht, eine Befürchtung durch eine andere zu ersetzen, etwa nach dem Stil “Vergiss den Treibhauseffekt, Peak oil ist die wirkliche Gefahr”. Es geht mir mehr um Vorsicht oder das Prinzip der Vorbeugung: Obwohl eine bestimmte Entwicklung eher unwahrscheinlich erscheinen mag, sollte sie nicht als unmöglich angesehen werden. Es wäre ratsam, zumindest eine Art “Notfallplan” bei der Hand zu haben, falls das Unwahrscheinliche eintritt. Ohne einen solchen Plan wäre Panik, Chaos, Anarchie und Blutvergießen beinahe garantiert.

Meine Beiträge/Kommentare zum Thema sind unter Peak oil zu finden.

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