Covid-19-Fallsterblichkeit: BMSGPK entschuldigt sich für Auskunftsverweigerung

Die laut einem Bescheid des Gesundheitsministeriums von Oktober 2022 “nicht vorhandenen” Daten zur Covid-19-Fallsterblichkeit in Österreich gibt es doch und wurden mir nun bereitgestellt. Das BMSGPK entschuldigte sich gleichzeitig für die ursprüngliche Ablehnung der Auskunftserteilung. Offen bleibt weiterhin, warum die regelmäßige Veröffentlichung dieser Daten ab Ende März 2021 eingestellt wurde – mitten in einer Epidemie.

Mit diesem Ergebnis meiner letzten Anfrage an das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) vom Dezember 2022 (siehe Daten zu Covid-Fallsterblichkeit: Neue Anfrage) hätte ich nicht gerechnet. Mangels Reaktion des BMSGPK hatte ich ja sogar eine Säumnisbeschwerde erheben müssen. Die Antwort des BMSGPK darauf erfolgte knapp vor Ende der gesetzlichen dreimonatigen Frist mit Datum 31. August 2023.

Da das BMSGPK in dieser Antwort zugab, meine vorhergehende Anfrage vom 25. Juli 2021 (!) ungerechtfertigt abgewiesen zu haben, erübrigte sich die Beantwortung meiner Folgeanfrage vom Dezember 2022, die Gegenstand der Säumnisbeschwerde war. Beantwortet wurde stattdessen die von mir im Juli 2021 gestellte Anfrage zur Fallsterblichkeit von Covid-19 nach Altersgruppen und Epidemie-Phasen – nach mittlerweile mehr als zwei Jahren.

Sowohl das Schreiben des BMSGPK als auch die übermittelten Daten stehen auf der Website fragdenstaat.at zum Download zur Verfügung: Löschung/Vernichtung von Daten zur Covid-19-Fallsterblichkeit, Gründe. Mit den nun übermittelten Fallsterblichkeits-Daten werde ich mich in einem eigenen Beitrag befassen, an dem ich noch arbeite.

Das BMSGPK hatte in einem Bescheid vom 27. Oktober 2022 behauptet, dass es die von mir im Juli 2021 angeforderten Daten zur Fallsterblichkeit nicht gäbe (siehe Bescheid 27. Okt. 2022). Diese Behauptung entsprach nicht den Tatsachen, wie ich auch vermutet habe. Als Rechtfertigung für diesen wahrheitswidrigen Bescheid führt das BMSGPK nun an (Zitat):

Bedauerlicher Weise wurde Ihre ursprüngliche Anfrage vom 25.7.2021 betreffend „Fallsterblichkeit von Covid-19 nach Altersgruppen und Epidemie-Phasen“ nicht beantwortet, was auf interne Missverständnisse im Zusammenhang mit Personalwechsel zurückzuführen ist. Wir möchten uns dafür entschuldigen …

Inwieweit diese Erklärung glaubwürdig ist, will ich und kann ich letztlich nicht beurteilen. Die gesamte Abfolge der Ereignisse rund um die “verschwundenen” Fallsterblichkeits-Daten ist aber unglaublich und ein Armutszeugnis für die österreichischen Gesundheitsbehörden. Hier eine etwas gekürzte Chronologie:

Chronologie


Ende März/Anfang April 2021:
Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (Ages) stellt die regelmäßige Veröffentlichung von Fallsterblichkeits-Daten zu Sars-CoV-2 ein.
Anfang Mai 2021: Die Ages teilt mir per E-Mail mit, dass diese Daten nun auf einem (akkreditierungspflichtigen) Server (jira.ages.at) zu finden seien. Die Daten sind also nicht mehr öffentlich zugänglich.
Mai 2021: Meine E-Mail-Frage an Ages, warum diese Daten der Öffentlichkeit entzogen wurden, bleibt unbeantwortet.
25. Juli 2021: Auf Basis des Auskunftspflichtsgesetzes beantrage ich beim BMSGPK die Bereitstellung der CFR-Daten.
Anfang August 2021: Das BMSGPK teilt mit, man könne “aufgrund der aktuellen Situation” nicht “auf spezielle Fragen im Detail eingehen” und empfiehlt mir eine Akkreditierung auf einer Plattform, die mir als Prvatperson aber unmöglich ist. Ich vermute, dass das BMSGPK nach dem Wortlaut des Auskunftspflichtgesetzes mit dieser Begründung der Auskunftsverweigerung durchkommen könnte. Ich verzichte daher vorläufig auf Rechtsmittel und lasse die Anfrage einfach weiterlaufen.
14. Mai 2022: Ich reaktiviere die Anfrage.
27. Oktober 2022: Das BMSGPK teilt bescheidmäßig mit, dass die angeforderten aufbereiteten CFR-Daten nicht vorhanden wären und ihre Berechnung zu aufwendig wäre. Dieser Bescheid umfasste nicht weniger als 15 Seiten …
3. Dezember 2022: Ich stelle eine neue Anfrage zu den Gründen der mutmaßlichen Löschung der CFR-Daten.
7. Juni 2023: Mangels Reaktion des BMSGPK erhebe ich Säumnisbeschwerde
Anfang September 2023: Das BMSGPK beantwortet die ursprüngliche Anfrage vom 25. Juli 2021 und entschuldigt sich für die frühere Verweigerung der Beantwortung dieser Anfrage.

Warum wurde die Veröffentlichung der Fallsterblichkeits-Daten ab April 2021 eingestellt?
Ungeachtet der nun erfolgten Übermittlung der Daten bleibt jedoch weiter ungeklärt, welche Gründe die Ages bzw. das Gesundheitsministerium dazu bewogen hatten, die Veröffentlichung der Fallsterblichkeits-Daten mit Ende März 2021 einzustellen – mitten in der Epidemie und nur drei Monate nach Beginn der Covid-19-Impfkampagne. Leider habe ich es verabsäumt, in meiner ursprünglichen Anfrage vom Juli 2021 ausdrücklich nach diesen Gründen zu fragen. Ich vermute allerdings, dass eine denkbare weitere Anfrage dazu die Wahrheit nicht ans Licht bringen kann: Zu erwarten wäre bestenfalls eine weitere ausweichende und kryptische Stellungnahme des BMSGPK.

Ich habe bereits mehrfach Vermutungen zu diesen Gründen angestellt, die ich aber zum Teil nach genauerer Prüfung der Daten relativieren bzw. verwerfen muss. Das betrifft insbesondere den von mir im Beitrag Daten zu Covid-Fallsterblichkeit: Neue Anfrage unter der Zwischenüberschrift “CFR-Daten als Gefahr für die Impfkampagne” angeführten Anstieg der Fallsterblichkeit im ersten Halbjahr der Impfkampagne von 1 % auf knapp 3 %.

Dieser Anstieg, zu entnehmen den Covid-19-Daten auf ourworldindata.org, begann aber erst im Juni 2021, während die Entscheidung, die CFR-Daten nicht mehr zu veröffentlichen, wohl bereits Ende März oder Anfang April 2021 getroffen worden sein muss. Abgesehen davon beruhte dieser Anstieg der CFR (“Case Fatality Rate” = Fallsterblichkeit) auf sehr geringen absoluten Zahlen. Auch das Infektionsgeschehen war auf ein Minimum abgesackt, wie im Sommer bei einer Erkältungskrankheit auch zu erwarten.

Selbst wenn diese Daten nicht verzerrt/überschätzt wären (durch die Einbeziehung von Fällen mit bloß positivem PCR-Test, “gestorben an oder mit”), ließe sich daraus aus rein statistischen Gründen nichts ableiten. Hier kommt das “law of small numbers” – das Gesetz der kleinen Zahlen” – zum Tragen: je kleiner die Stichprobe, desto höher die Streuung, und desto geringer die Aussagekraft. Hier war die “Stichprobe” einfach zu klein. Dennoch hätte die Veröffentlichung dieses Anstiegs potenziell für Irritationen in einer diesbezüglich naiven Öffentlichkeit sorgen können. Daher war es ja auch problemlos möglich, mit einer angeblichen neuen “Welle” – eine Verdoppelung der Infektionsfälle zwischen Ende Jänner und Ende März 2021 – Angst und Schrecken zu verbreiten, die sich höchstwahrscheinlich bloß einer Verdreifachung der Tests im selben Zeitraum verdankte. (Nachvollziehbar anhand der Daten auf ourworldindata.org.)

Das Problem der teils zu geringen Fallzahlen erschwert übrigens auch die Interpretation der nun übermittelten CFR-Daten, aber dazu mehr in einem noch in Arbeit befindlichen weiteren Beitrag.

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