Gesundheitsministerium: Keine genauen Daten zu COVID-19-Fallsterblichkeit

Das österreichische Gesundheitsministerium hat in einem Bescheid nach dem Auskunftspflichtgesetz von Ende Oktober 2022 angegeben, über keine sachgerecht ermittelten Daten zur Covid-19-Fallsterblichkeit nach Altersgruppen und Phasen der Epidemie zu verfügen.

Diese Daten müssten erst unter erheblichem Aufwand berechnet/ermittelt werden, denn (Zitat aus dem Bescheid): “Bei der AGES, der GÖG und dem BMSGPK liegen lediglich die Rohdaten zu laborbestätigten Fällen und den verstorbenen Personen auf.” Diese Berechnung/Ermittlung würde die Erfüllung der übrigen gesetzlichen Aufgaben der Behörde jedoch beeinträchtigen, womit der gegenständliche Antrag “gemäß § 4 iVm § 1 Abs. 2 Auskunftspflichtgesetz abzuweisen” wäre, heißt es in dem Bescheid vom 27. Oktober 2022. Der Bescheid ist unter folgendem Link abrufbar (pdf): Bescheid vom 27. Okt. 2022.

Mit diesem ablehnenden Bescheid endete eine Anfrage nach dem Auskunftspflichtgesetz, die ich ursprünglich im Frühjahr 2021 gestellt hatte. Grund meiner Anfrage war, dass die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) die Veröffentlichung von Aufstellungen zur Fallsterblichkeit am “Coronavirus” nach Altersgruppen und zuletzt auch nach Phasen der Epidemie mit Ende März 2021 aus nicht bekanntgegebenen Gründen eingestellt hatte. Bis dahin waren diese Aufstellungen in unregelmäßigen Abständen aktualisiert und auf den Seiten der Ages zum “Coronavirus” publiziert worden. Zu diesen Vorgängen siehe u. a. meine beiden folgenden Beiträge:

Covid-19 Fallsterblichkeit, Ages und Lockdown Ost ineffektiv

Covid-19: Fallsterblichkeit offenbar deutlich gesunken

Der abweisende Bescheid des Gesundheitsministeriums ist aus mehreren Gründen zumindest kurios, wenn nicht sogar skandalträchtig. Mit den Implikationen dieser “Affäre” und der Entwicklung der Covid-19-Fallsterblichkeit werde ich mich in Updates zu diesem Beitrag oder weiteren Beiträgen befassen.

Vorläufig veröffentliche ich hier die Zusammenfassung des Ergebnisses meiner Anfrage an das Gesundheitsministerium, die auch auf der Website fragdenstaat.at unter folgender Adresse abrufbar ist: Fallsterblichkeit von Covid-19 nach Altersgruppen und Epidemie-Phasen.

Zusammenfassung der Anfrage

Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat mit Bescheid vom 27. Oktober 2022 meine Anfrage betreffend Daten zur Fallsterblichkeit von Covid-19 nach Altersgruppen und Epidemie-Phasen “gemäß § 4 iVm § 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 15. Mai 1987 über die Auskunftspflicht der Verwaltung des Bundes und eine Änderung des Bundesministeriengesetzes 1986 (Auskunftspflichtgesetz), BGBl I 287/1987 idF I 158/1998” abgewiesen.

Die Begründung, zu finden unter Punkt 3 des 16-seitigen Bescheids, ist kurios: Es wird behauptet, dass die (als “Aufstellung” bezeichneten) angeforderten Informationen weder im Gesundheitsministerium noch bei der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) vorliegen würden. Die weitere Bearbeitung der Anfrage würde daher “zu einer nicht unwesentlichen Beeinträchtigung der umfangreichen übrigen Aufgaben der Verwaltung“ führen und hätte daher unterbleiben müssen.

Zitat aus dem Bescheid:
“Die vom Antragsteller gewünschte Aufstellung der Entwicklung der Fallsterblichkeit von Covid-19 im bisherigen Verlauf der Covid-19-Epidemie in Österreich, und zwar aufgeschlüsselt nach Altersgruppen (unter 6, 6-14, 15-24 usw. bis 85+), Geschlecht sowie insbesondere aufgeschlüsselt nach den fünf Phasen der Epidemie (I. Naive Phase bis zum 15.3.2020, II. Lockdown ab 16.3.2020 bis 11.4.2020, III. Zunehmende Lockerungen ab 12.4.2020 bis 31.8.2020, IV. 1.9.2020 – 14.2.2021 sowie V. ab 15.2.2021) liegt weder bei der AGES, der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) noch beim BMSGPK auf. Eine in dieser Art aufbereitete Aufstellung existiert im Gesundheitsressort nicht.
Bei der AGES, der GÖG und dem BMSGPK liegen lediglich die Rohdaten zu laborbestätigten Fällen und den verstorbenen Personen auf.”

Diese Begründung ist kurios, weil der ganzen Anfrage genau jene Aufstellungen zur Fallsterblichkeit zugrunde liegen, die von der Ages vorgenommen und veröffentlicht, aber ab April 2021 der Öffentlichkeit entzogen und stattdessen laut Auskunft von Ages auf eine akkreditierungspflichtige Website verschoben wurden (jira.ages.at/secure/Dashboard.jspa).

Die letzte veröffentlichte Version dieser Aufstellungen (nach Altersgruppen und Phasen der Epidemie) ist noch im Web-Archiv zu finden, und zwar unter folgender Adresse, Abschnitt Sterblichkeit: Sterblichkeit nach Altersgruppen/Epidemiephasen, März 2021, Ages

Eine frühere Version dieser Aufstellungen, aber nur nach Altersgruppen, ist hier zu finden: Sterblichkeit nach Altersgruppen, Ages 2021

Es gibt nur zwei Erklärungen für den Bescheid und seine Begründung, beide sind m. E. skandalträchtig:

1. Die Tabellen zur Fallsterblichkeit von Covid-19 sind heute weder im Gesundheitsministerium noch bei der Ages aufzufinden, weil sie, sofern in elektronischer Form, allesamt endgültig gelöscht und sofern in Papierform, unwiederbringlich zerstört (geschreddert) wurden. Wobei sich die Frage stellt, aus welchen Gründen sie gelöscht/vernichtet wurden, sofern das tatsächlich der Fall war. Diese Erklärung impliziert, dass sowohl das Gesundheitsministerium als auch die Ages entweder “vergessen” haben, dass es solche “Aufstellungen” gab und dass sie gelöscht/vernichtet wurden, oder es unterlassen haben, diese Umstände bzw. Vorgänge im Bescheid zu erwähnen. Dass diese Aufstellungen schlicht nicht “gefunden” wurden, schließe ich aus.

2. Diese Aufstellungen liegen sehr wohl vor, aber das Gesundheitsministerium will nicht damit herausrücken und behauptet stattdessen, es gäbe nichts Derartiges, entgegen den Angaben von Ages vom 4. Mai 2021, wonach diese Tabellen nunmehr auf jira.ages.at/secure/Dashboard.jspa zu finden wären.

Es bestand die Möglichkeit, binnen vier Wochen gegen diesen Bescheid Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht zu erheben. Ungeachtet der Erfolgsaussichten einer solchen Beschwerde fehlte mir aber letztlich die Zeit dafür, womit diese Anfrage beendet ist.

Eine Beschwerde wäre aber geboten gewesen, da die Begründung der Ablehnung der Anfrage m. E. weitreichende Implikationen hat. Falls die bloße Behauptung einer Behörde, dass die angeforderten Informationen nicht existierten und nur unter Beeinträchtigung der übrigen gesetzlichen Aufgaben der Behörde bereitgestellt werden könnten, ausreicht, um die Bereitstellung dieser Informationen abzulehnen, wäre die Zweckmäßigkeit des Auskunftspflichtgesetzes grundsätzlich infrage gestellt.

Zumindest die frühere Existenz der laut Bescheid des Gesundheitsministeriums nicht vorhandenen “Aufstellungen” ist anhand des Web-Archivs nachweisbar. Ich plane daher eine weitere Anfrage an das Gesundheitsministerium mit dem Ersuchen um Bekanntgabe der Gründe für die Einstellung der Ermittlung der Covid-19-Fallsterblichkeit nach Altersgruppen und Epidemiephasen bzw. die Löschung/Vernichtung dieser Aufstellungen. Dies unter der Voraussetzung, dass die Behauptung des Gesundheitsminsteriums im Bescheid, wonach diese Aufstellungen nicht (mehr) vorliegen würden, der Wahrheit entspricht.

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